Der Markt für Schwarzweißfilme: Ein kommentierter Überblick mit abschließender Handlungsempfehlung
Bitte beachten Sie: der Text entstand 2013, also vor 10 Jahren.
Vor fünf Jahren [also 2008] habe ich mich in einem kurzen Text mit dem Markt für Schwarzweißfilme beschäftigt. 1 Anlass für diesen hier noch immer regelmäßig nachgefragten Beitrag waren damals Krisenmeldungen über Fujis Filmsparte.
Ganz abgesehen von den Dramen um Diafilme hat sich zwischenzeitlich auf dem Markt für Schwarzweißfilme wieder einiges getan: Ferrania, Forte, Polaroid und Fotokemika (Efke) haben komplett aufgegeben, Fuji hat den Neopan 1600 (gab es nur als Kleinbildfilm) und den Neopan 400 als Rollfilm zu Grabe getragen, Kodak den Plus-X und den T-Max p3200, der Konica VX 400 Monochrome war irgendwann weg und auch um Fomas Fomapan 100 R gab es entsprechende Gerüchte.
Fujis Neopan 400 (Kleinbildfilm) war zwischenzeitlich nicht mehr zu bekommen, letztes Jahr war er plötzlich wieder da. Nun nimmt Fuji diesen Film anscheinend ganz vom Markt 2 (und mutmaßlich mit dem Provia 400 X bei der Gelegenheit auch den letzen verbliebenen hochempfindlichen Diafilm überhaupt) – vielleicht auch nur in den USA. Als Ersatz für den Neopan 400 wird in dem von einem Freestyle-Mitarbeiter veröffentlichten Fuji-Bulletin allen ernstes der Acros 100 empfohlen; ein Film mit einer komplett anderen Charakteristik.
Agfa hat in Leverkusen letztmalig 2005 die legendären Filme APX 100 und APX 400 gegossen. Das ist jetzt knapp acht Jahre her. Seitdem wird dieses Material als Kleinbildfilm verkauft. APX 400 war recht schnell ausverkauft – dieser Tage wird bekannt, dass nun auch die letzten Meter original Agfa-APX-100-Material verkauft sind. Die gekühlten Vorräte haben somit fast acht Jahre lang gereicht.
Lupus wird ab August unter dem APX-Traditionsnamen ein anderes Material (nur als Kleinbildfilm) vertreiben. 3 Welcher »preiswerte Qualitätsfilm« (Hr. Boeddecker) das sein wird, weiß ich leider nicht. Fotoimpex hat daraufhin erstmal die Preise für den echten APX 100 angehoben.
Seit Jahren ist regelmäßig von Herrn Boeddeckers Projekt zu lesen und zu hören, unter manufakturbedingungen den APX 400 wiederzubeleben. Daran wurde tatsächlich gearbeitet, ich habe 2010 auf der Photokina sogar entsprechende Muster gesehen. Das Projekt ist jedoch wohl (erstmal) vom Tisch. In seinem online-Forum schreibt Mirko Boeddecker im oben angegebenen Thread, dass sich das Projekt unter derzeitigen Marktbedingungen nicht lohnen würde; angeblich hat er sogar den alten APX 100 bis zur jüngsten Preiserhöhung mit Verlust verkauft.
Zur Photokina 2012 hat Fotoimpex den panchromatischen Silvermax 100 eingeführt (nur als Kleinbildfilm), samt Spezialentwickler. Beworben wird das Produkt mit einem extra hohen Silbergehalt in der Emulsion. Wer den Film tatsächlich produziert und auf welcher Grundlage, bleibt ein Geheimnis. Mutmaßungen, es handele sich um Agfa-Scala-Restbestände, wurden dementiert.
Vor knapp einem Jahr hat Fotokemika aufgegeben. Die seitdem angebotenen orthopanchromatischen Efke-Filme (und somit auch die CHS-Filme von Fotoimpex) sind nur Restbestände. Parallel zu seinem Silvermax will Fotoimpex daher einen CHS100 II auf den Markt bringen, sogar »eine vollständige Formatabdeckung von 35 mm über Rollfilme bis hin zu extragroßen Planfilmen« 4 soll es geben. Woher der »neue« Film kommt, ist aber auch schon wieder ein Geheimnis.
Dann gibt es Maco, die unter dem Rollei-Label alles mögliche vertreiben; vieles davon sind umkonfektionierte Luftbildfilme der Gevaert aus Belgien. (Gibt es eigentlich noch Luftbildfotografie auf Film?)
Weiterhin bereichern die Geschäftemacher der Lomographischen Gesellschaft den Markt mit ihren Eigenmarken – auch hier ist nicht wirklich klar, welches Material als Lady und Earl Grey verkauft wird.
© Martin Frech: Im Flughafen Tempelhof, Berlin (geschlossen seit 30.10.2008)
Raumbild (rot/cyan) | Fotos am 23.09.2007 auf original Agfa APX 100
Es scheint also insgesamt noch ein so großer Markt für Kleinbild-Schwarzweißfilme zu existieren, dass es sich lohnt, darum zu kämpfen; sogar als Zuschussgeschäft in einer Mischkalkulation. Nur soviel ist sicher: wirklich neue Filme werden nicht mehr entwickelt.
Kürzlich hat Ferrania zwar bekanntgegeben, wieder in die Filmproduktion einsteigen zu wollen, erstmal jedoch nur mit den alten 21-DIN-Farbemulsionen; möglicherweise allerdings in einer gewissen Formatvielfalt: »We think it is better to start revamping the very last produced emulsions. The first two that we will make are a color negative film derived from Ferrania Solaris FG-100 Plus (only for still photographs) and a professional color reversal film derived from Scotch Chrome 100. (...) We have the equipment to finish film in almost all photographic and motion picture formats: 110, 120, 126, 127, 135, 220, Super 8, Double 8, 16 mm, 35 mm and 70 mm but at first we will put on line only the ones that are requested by the market.«. 5
Alles, was unter den diversen Handelsmarken (Adox, Bergger, Lomo, Orwo, Rollei, Spürsinn usw.) erscheint, stammt entweder aus Kühlhäusern oder ist umbenannte Ware von den verbliebenen Filmherstellern Fuji, Kodak, Harman, Foma, Gevaert und vielleicht Lucky. Möglich ist auch, dass sich jemand mit einem eigenen Rezept bei einer dieser Firmen seinen »eigenen« Film machen lässt (in den dort technisch gegebenen Grenzen).
Nun ist umgelabeltes oder lohngefertigtes Filmmaterial ja nicht minderwertig. Ein korrektes Datenblatt sollte es IMHO aber schon geben – doch schon das ist in diesem Segment leider nicht selbstverständlich.
Aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen sehe ich jedoch zwei grundsätzliche Probleme:
Man weiss zum einen nicht, wie lange die Filme in welchem Format am Markt bleiben. Es gibt es einige Beispiele aus den letzten Jahren die die diesbezüglichen Versprechen entlarven. Meine Erfahrungen mit dem Rollei R3 habe ich in hier beschrieben 6, der Lomography B&W 100 (mutmaßlich ein Shanghai GP3) war auch nicht allzulange erhältlich und aktuell sind z. B. Lomos Schwarzweißfilme auch nicht mehr zuverlässig als Rollfilme zu bekommen.
Zum anderen ist unklar, ob unter dem jeweiligen Label längerfristig das selbe Material verkauft wird, oder ob man plötzlich mit einer anderen Emulsion dasteht (siehe beispielsweise das Theater um die Quellen der verschiedenen Chargen des Rollei RPX 400).
Der Preis ist jedenfalls kein zuverlässiges Argument pro Handelsmarke, wie meine kleine Marktübersicht in Tab. 1 zeigt.
Tab. 1: Marktübersicht Schwarzweiß-Kleinbildfilme (135-36); Durchschnittspreise der Händler Fotoimpex, Nordfoto und Macodirekt (Stand: 26. Juli 2013) – ohne Berücksichtigung von Mengenrabatten und Versandkosten
Marktübersicht Schwarzweiß-Kleinbildfilme (135-36) | |||
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21° DIN (nominal) | Bruttopreis | 27° DIN (nominal) | Bruttopreis |
Adox Silvermax S/W | 4,64 € | ||
Fomapan 100 Classic | 3,33 € | Fomapan 400 Action | 4,24 € |
Ilford Delta 100 | 5,22 € | Ilford Delta 400 | 5,52 € |
Ilford FP4 plus | 4,82 € | Ilford HP5 plus | 4,85 € |
Kentmere 100 | 2,98 € | Kentmere 400 | 2,98 € |
Kodak T-MAX 100 | 4,16 € | Kodak T-MAX 400 | 4,16 € |
Kodak Tri-X 400 | 4,22 € | ||
Lomography Earl Grey B&W 100 | 6,63 € | Lomography Lady Grey B&W 400 | 6,63 € |
Rollei RPX 100 | 3,23 € | Rollei RPX 400 | 3,23 € |
Rollei Retro 80 S | 2,32 € | Rollei Retro 400 S | 3,23 € |
Dass die Filme der Handelsmarken trotzdem ihre Abnehmer finden, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass Kamerafilme für einen großen Teil der Käufer Lifestyleprodukte sind und präzise Bildergebnisse nicht im Vordergrund stehen (»lo-fi«).
Zudem wird häufig nicht mehr mit dem Ziel fotografiert, eine analoge Vergrößerung zu machen – vielen reicht das Digitalisat direkt vom Negativ. Dafür spricht auch, dass der Fotopapier-Markt noch übersichtlicher ist als der für Negativfilme. 7
Und wenn man gar nicht an einem in der herkömmlichen Bedeutung »guten« Negativ interessiert ist, spielt die Erfahrung mit dem Material und die damit einhergehende Abhängigkeit von selbigem auch keine große Rolle.
Jedoch gibt es mit Kodak, Harman/Kentmere, Foma und Fuji noch Anbieter, die Filme nach eigenen Rezepten in kontinuierlicher Qualität selbst produzieren.
Zu den Herstellern Lucky (SHD 100, SHD 400), Shantou (Era PSS Pan 100) und Shanghai (GP 3) aus China sowie Slavich und Tasma 8 aus Russland und eventuell weiteren habe ich leider keine näheren Informationen (Wolfgang Moersch bietet von Slavich das Bromportrait-Barytpapier [auch nicht mehr; 2020-06-14 nachgeschaut] an und Spürsinn verpackt angeblich russischen Film als Planfilme [die Firma gibt es nicht mehr; 2020-06-14 nachgeschaut]).
Ich kann es mitunter auch nicht lassen, Maco- oder Lomo-Filme auszuprobieren; beispielsweise weil Maco bis letztes Jahr noch 127er-Rollfilme geliefert hat (wahrscheinlich via Fotokemika/
Für den Alltagsgebrauch kaufe ich jedoch ausschließlich Ware der Hersteller Kodak, Harman und gelegentlich Foma – aus folgenden Gründen:
- Diese Anbieter stellen qualitätsgesichert nicht nur 100-ASA-Material her, sondern auch lieferbares 400-ASA-Material.
- Deren Emulsionen sind meist sowohl in der Kleinbild- als auch der Rollfilm-Konfektionierung erhältlich, häufig auch als Planfilme.
- Eine mittelfristige Verfügbarkeit des Materials ist vergleichsweise sicher (früher wurden Filme sogar weiterentwickelt: siehe z. B. die bis 1931 zurückreichende Ahnenreihe des Ilford HP5+ oder die fast 60-jährige Geschichte des Kodak Tri-X).
- Ich bin unabhängig von einzelnen Händlern.
Ich weiss natürlich nicht, ob bei Kodak/
Auch weiss ich, dass Kodak insgesamt ein Wackelkandidat ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dort auch bei der Filmsparte ganz plötzlich der Stecker gezogen wird – wie bei der Filmfabrik Wolfen (1994), Agfa (2005), Forte (2007), Polaroid (2008), Ferrania (2009) und Fotokemika (2012). Das erscheint mir bei Harman unwahrscheinlicher, da die Firma die Umstrukturierung schon hinter sich hat und das Schwarzweißgeschäft noch deren einziger Geschäftszweck ist.
© Martin Frech: Ich habe schon so manchen Film kommen und gehen sehen, von einigen habe ich die Verpackungen aufbewahrt.
Foma-Filme mag ich gerne, vor allem den Fomapan 400, ebenso Harmans Ilford HP5+. (Würde ich scannen, fiele meine Wahl eher auf Kodaks Tri-X.) Bei wenig Licht gefällt mir Kodaks T-Max 400, den ich regelmäßig mit einem EI von 33° DIN belichte. Diese drei Filme sind meine Favoriten, schon weil ich sie jeweils als KB-, Roll- und 4 × 5″-Planfilme bekomme.
Für welchen Film man sich letztlich entscheidet, ist Geschmackssache – die Qualität einer Fotografie misst sich jedenfalls nicht primär an der verwendeten Emulsion und wirklich schlechtes Material ist nicht mehr am Markt. Jedenfalls außerhalb von ebay – dort wurde kürzlich sogar noch der Foto 64 der verblichenen Svema angeboten; ein schon zu DDR-Zeiten berüchtigter Film.
Wichtig ist, dass man sich die Zeit nimmt, sein Material unter den verschiedenen persönlichen Arbeitsbedingungen kennenzulernen. Hat man einen Favoriten gefunden, sollte man sich möglichst viel davon kaufen und einfrieren. Filme werden nie mehr so günstig sein wie heute und gefrorene Schwarzweißfilme halten sehr lange. Um die Chemie muss man sich ebenfalls keine großen Sorgen machen: Im Gegensatz zu den Farbentwicklern kann man sich die Schwarzweißentwickler einfach aus wenigen Grundchemikalien selbst mixen – die Rezepte sind vielfach dokumentiert.
↬ Manifest: Analoge Medien sind nicht retro, sondern analog
Zitierempfehlung:
Frech, Martin: Der Markt für Schwarzweißfilme: Ein kommentierter Überblick mit abschließender Handlungsempfehlung. In: Notizen zur Fotografie, 2013-07-28. Online: https://